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20. Februar 2008
 

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UNI-KNIGGE

Die perfekte Anleitung für schlechte Studienarbeiten

Spät anfangen, die letzte Nacht durcharbeiten und alle Regeln wissenschaftlicher Arbeit ignorieren: Der Würzburger BWLer Stefan Zimmermann, 33, weiß, wie man jeden Dozenten an den Rand des Nervenzusammenbruchs treibt. Folgen Sie einfach seinen Anweisungen.

Unglücklicherweise sehen fast alle Prüfungsordnungen Seminar- und Diplomarbeiten bzw. eine Thesis vor. Dieses notwendige Übel muss also irgendwie bewältigt werden. Allerdings dürfen Sie die Aufgabe von vornherein nicht überbewerten. In Vorstellungsgesprächen werden Sie kaum danach gefragt werden, und zur ersten beruflichen Orientierung taugt eine solche Arbeit nicht.

Ans Werk: Piesacken Sie JETZT Ihren Dozenten!
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Ans Werk: Piesacken Sie JETZT Ihren Dozenten!

Zu Beginn gilt: In der Ruhe liegt die Kraft. Lassen Sie zunächst einige Wochen der Bearbeitungszeit verstreichen, indem Sie möglichst frei und ungeführt über Ihr Thema nachsinnen. Bevorzugte Orte dafür sind Schwimmbäder, Baggerseen, Einkaufszentren, Cafés oder Clubs - je nach Witterung, Jahres- und Uhrzeit. Zu vermeiden ist ein allzu intensiver Austausch. Sprechen Sie niemals mit Ihren Studienkollegen über deren Arbeiten, schon gar nicht über Ihre eigene. Die Erfahrungen anderer irritieren nur und versperren Ihnen eine klare und unvoreingenommene Sicht auf Ihr Thema.

Auch den Betreuer sollten Sie weitestgehend ignorieren. Seine Hinweise könnten nur Ihre bisherige Arbeit wertlos machen. Falls sich ein Kontakt doch nicht vermeiden lässt, sollten Sie möglichst wenig Anstrengung in die Vorbereitung investieren. Wirken Sie stattdessen bewusst planlos und unvorbereitet.

Erstens wird der Betreuer sich dann bemüßigt fühlen, Ihnen weitgehend unter die Arme zu greifen (im Idealfall schreibt er Ihnen bereits eine Gliederung auf). Zweitens kann Ihnen alles, was vorgegeben wurde, nicht negativ angestrichen werden. Und drittens senken Sie die Erwartungshaltung und können dann mit einer guten oder zumindest nicht ganz so schlechten Arbeit nur überraschen. Verwöhnen Sie den Betreuer aber ruhig mit sinnfreien E-Mails, gern mit der Anrede "Hallöchen, Herr Professor!" (mehr...).

Und bloß nicht in die Bibliothek!

Gegen Mitte der Bearbeitungszeit sollten Sie sich dann mal um das kümmern, was Dozenten als "einschlägige Literatur" bezeichnen. Sie suchen also die Bibliothek auf und schauen durch die Gänge, was etwas mit Ihrem Thema zu tun haben könnte. Dabei gelten drei grundlegende Regeln:

  • Was es nicht an Ihrer Uni gibt, ist nicht wert, gelesen zu werden.
    Die Zahl der Forscher ist so groß, dass es auf eine bestimmte Publikation sicher nicht ankommt.

  • Was nicht auf Deutsch erscheint, ist auch nicht wert, gelesen zu werden.
    Wenn Ideen, Konstrukte, Theorien oder Forschungsergebnisse noch nicht den Weg in ein deutschsprachiges Lehrbuch gefunden haben, dann spricht das ohnehin nicht für deren wissenschaftliche Qualität.

  • Verwenden Sie niemals Originalquellen.
    Warum sollten Sie die Vorleistung eines Autors, der ältere Studien in jeweils zwei Sätzen zusammengefasst hat, ignorieren?

Der Weg in die Bibliothek lässt sich vermeiden. Schließlich gibt es inzwischen alle Informationen im Internet. Wikipedia liefert Antworten zu den meisten Themen. Und vielleicht gibt es ja das gleiche Thema bei einer der zahlreichen Diplomarbeitsbörsen. Mit diesen modernen technischen Möglichkeiten sind Professoren nicht vertraut und würden abgeschriebene Passagen nie erkennen (mehr...).

Vage geht vor konkret

Stützen Sie sich auf einige wenige Quellen. Ein übersichtliches Literaturverzeichnis unterstreicht die Klarheit Ihrer Konzeption. Auf keinen Fall führen Sie Arbeiten an, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das führt zu einem unnötigen Rechtfertigungszwang und erfordert eine eigene Denkleistung, die Ihnen für einen akademischen Abschluss unmöglich abverlangt werden kann.

[M] DDP
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Sowohl bei eigenen Ergebnissen als auch bei Schlussfolgerungen aus der Literatur gilt: möglichst offen formulieren. Mit Worten wie "nahezu", "einige" oder "fast" bleiben Sie flexibel, und Fehlinterpretationen kann man Ihnen nur schwer vorwerfen.

Überhaupt kann Ihrer Arbeit durch geschickte sprachliche Gestaltung wissenschaftliche Klasse eingehaucht werden. Dazu sollte Sie auf eine komplexe Gestaltung - denn das signalisiert Ihre eigene Kompetenz - von Sätzen, indem Sie zahlreiche Nebensätze, die wiederum von weiteren Nebensätzen unterbrochen werden, einbauen, Wert legen und stets prüfen, ob nicht ein Punkt, der vielleicht etwas voreilig gesetzt wurde, noch durch ein Komma oder wenigstens ein Semikolon ersetzt werden könnte und wirklich kein Begriff, der die erklärende Einfügung eines Nebensatzes erfordert, wobei Sie darauf achten, dass der Rest des Hauptsatzes stets nach dem Relativsatz folgt, mehr enthalten ist.

Etwa so! Prinzip verstanden?

Lesen Sie niemals laut Ihren eigenen Text. Ihre Mitbewohner könnten Sie für verrückt halten. Zudem kann, was schlecht zu sprechen ist (mehr...), immer noch gut zu lesen sein.

Seien Sie nicht zu streng mit sich

Substantive sind wichtig. Schließlich kommt Substantiv von Substanz. Von der Ersetzung von einem Verb (der Genitiv wird überschätzt) ist, wann immer die Möglichkeit besteht, Gebrauch zu machen - beispielsweise "hat zum Ergebnis, dass" statt "ergibt". So lässt sich in der Regel auch die vorgegebene Seitenzahl leichter erreichen. Dies erzielen Sie ebenso durch die gekonnte Anhäufung von Attributen, die das Verständnis des Substantivs fördern, wie etwa "ursächlicher Grund" oder "resultierendes Ergebnis".

Während der Bearbeitungszeit wird es Ihnen immer wieder passieren, dass Sie sich einfach nicht aufraffen können. Seien Sie nicht zu streng mit sich. Wenn Sie sich nicht gut fühlen, können Sie auch keine gute Arbeit schreiben. Also stehen Sie erst dann auf, wenn Sie wirklich absolut ausgeschlafen sind. Nur ein voll konzentrierter Geist kann denken. Bevor Sie mit der Arbeit beginnen, prüfen Sie zunächst, ob nicht noch die Wäsche zu bügeln oder die Küche zu putzen wäre. Keine Arbeit ist so wichtig, dass man nicht dreimal täglich saugen könnte.

PRÜFUNGSPANNEN: MIT DER FERNBEDIENUNG ZUR KLAUSUR

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Pausen sind wichtig. Dafür sind Fernseher, Telefon und Kühlschrank stets in unmittelbarer Nähe zu haben. Verfolgen Sie stündlich, was sich in der Welt tut. Bleiben Sie bei der Arbeit am Rechner stets online und halten Skype und ICQ offen. Zeigen Sie durch die laufende Aktualisierung Ihres StudiVZ-Profils, dass Sie sich wegen Ihrer Diplomarbeit nicht aus dem sozialen Leben zurückziehen müssen (mehr...).

Jetzt aber hurtig

Der wichtigste Teil der Arbeit beginnt etwa 48 Stunden vor Abgabe. Sie schreiben die Einleitung und überlegen sich, was Sie eigentlich untersuchen wollten. Anschließend überlegen Sie im Schlussteil, wie das mit den Hauptteilen in Verbindung steht und was das überhaupt mit dem Thema zu tun hat, das man Ihnen vor vier Monaten gegeben hat. Danach beginnen Sie mit der Formatierung des Textes.

Die letzte Nacht vor Abgabe (mehr...) können Sie dann dazu nutzen, das Inhaltsverzeichnis einzutippen, während ein Freund noch mal schnell über den ersten Ausdruck drüber liest. Dabei ist ein Leser wirklich ausreichend. Wählen Sie am besten eine Person aus, die selbst keine Erfahrung mit wissenschaftlichen Arbeiten hat, denn schlaue Ratschläge können Sie jetzt nicht mehr gebrauchen. Und schließlich haben Sie ja den Anspruch, ihre Arbeit auch einer breiten Masse verständlich zu machen.

Da Sie sich vorher informiert haben, welcher Copyshop Arbeiten binnen einer Stunde bindet, schaffen Sie es dann rechtzeitig zur Abgabe und schieben Ihre Arbeit voller Stolz über den Tresen (mehr...).

Danach können Sie sich ungestört all jenen schönen Dingen widmen, die Sie in der ersten Hälfte der Bearbeitungszeit betrieben haben...

Stefan Zimmermann ist Diplom-Kaufmann und seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für BWL, Personal und Organisation der Universität Würzburg, wo er zahlreiche Seminar- und Diplomarbeiten betreut hat.





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